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Mankei Tour - Santiago - Cordoba

10. Februar 2007 - 02. April 2007

Einsam in Santiago de Chile

Vor vier Tagen hatten wir tausend Kilometer weiter südlich erfahren, dass es Silvias Mutter sehr schlecht geht. Sofort haben wir ein Rückflugticket gekauft und sind im Eiltempo nach Santiago gefahren. Jetzt umarmen wir uns ein letztes Mal, dann verschwindet Silvia im Sicherheitsbereich des internationalen Flughafens. Viele Monate haben wir 24 Stunden auf engstem Raum zusammengelebt, da muss ich mich erst daran gewöhnen, alleine zu sein. Der Abschied fällt schwer. Um auf andere Gedanken zu kommen kaufe ich ein Busticket und fahre in die Innenstadt. Benito lasse ich auf dem Langzeitparkplatz des Flughafens stehen.

Silvia verabschiedet sich von mir am Flughafen

Santiago, die Hauptstadt Chiles, hat etwas mehr fünf Millionen Einwohner und gilt als die wirtschaftliche Metropole Südamerikas. Für mich bietet diese Stadt Ablenkung und Zerstreuung: Ich bummle durch den Fischmarkt mit den vielen Restaurants, besichtige die Kathedrale, sitze in einem Straßencafe an der Plaza de Armas,  esse ein "Completo" (Wiener Würstchen in der Semmel, garniert mit Sauerkraut, Ketchup und sonstigen Saucen nach Wahl). Die großen Fußgängerzonen sind schattig und voller Leben. Zwei Tage bleibe ich hier und wohne am strategisch günstigen Parkplatz am Flughafen.

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Mit Stadtplan und Landkarte bereite ich meine Route vor, programmiere das GPS und schreibe die markanten Punkte auf einen großen Zettel. So gelingt es mir auch ohne meinen zuverlässigen "Navigator" aus der Großstadt herauszufinden.

Wartezeit

Nördlich von Santiago fahre ich auf der gut ausgebauten Ruta 5 durch die immer wüstenhafter werdende Landschaft. In den Tälern wird Wein und Obst angebaut, auf den Bergen wachsen große Kakteen. Von der Küste her steigt Nebel hoch, die Andenkette bleibt unsichtbar.

Der Nationalpark La Campana schützt eine seltene Palmenart. Da er ansonsten wenig Spektakuläres bietet ist er, trotz der Nähe zu Santiago, wenig besucht. Genau der richtige Ort, um bei einem Spaziergang etwas zur Ruhe zu kommen. Als dann die Sonne den Nebel verdrängt, wirken die hohen Palmen und die blühenden Kakteen richtig nett. Abends, am schönen Campingplatz, schmiede Pläne für die nächsten Wochen. Dies ist sehr schwierig, da es völlig unklar ist, ob wir die Reise fortsetzen können. Zwar ist der Gesundheitszustand meiner Schwiegermutter nicht ganz so schlimm, wie befürchtet. Dennoch kann Silvia noch nicht abschätzen, ob sie wieder zurückkehren kann. Wenn nicht, so bedeutet dies natürlich das Ende der Reise. Ich entscheide mich, nach Argentinien an einen zentralen Ort zu fahren. Dort will ich abwarten, wie sich die Situation entwickelt.

Um nach Argentinien zu gelangen, gilt es die Anden zu überqueren. Ich entscheide mich für für den Pass bei Cristo Redentor. Schnell bemerke ich, dass diese Asphaltstrasse auch bei den schweren LKW's sehr beliebt ist. Mühsam klettern sie die Steigungen hoch. Glücklicherweise ist es meist übersichtlich und es gibt viele Stellen zum Überholen. So komme ich gut voran und bin bald auf 3200 m Höhe. Von hier kann man auf den Gipfel des 6960 m hohen Aconcagua blicken.

Für mich bleibt er wegen der vielen Wolken unsichtbar. In einem Tunnel überschreite ich die Grenze nach Argentinien, bald danach müssen die Formalitäten erledigt werden. Diese gestalten sich etwas komplizierter als sonst üblich, doch am Ende bekomme ich die gewünschte Einreisegenehmigung. Das Fahrzeug kann nun acht Monate im Land bleiben. Wichtig, falls wir die Reise für längere Zeit unterbrechen müssten.

Auf über 3000m am Cristo Redentor Canyon 7 Colores

In Uspallata, der ersten größeren Stadt in Argentinien treffe ich Ruth und Marcel. Diese beiden Schweizer hatten wir schon zweimal getroffen. Bei einem Kaffee vereinbaren wir, gemeinsam im Canyon 7 Colores zu übernachten. Hier scheint die Sonne auf die rundlichen Gesteinsformationen und lässt sie in verschiedenen Rottönen leuchten. Als gegen Abend der Wind nachlässt, können wir ein Lagerfeuer entzünden und darauf unser Fleisch grillen.

Den ersten Teil der Etappe von Uspallata nach San Juan fahre ich gemeinsam mit Ruth und Marcel. In Barreal bleiben wir auf einem beschaulichen Campingplatz. Doch die Ruhe trügt. Kurz vor Mitternacht dröhnt laute Musik aus der benachbarten Disko. "Fiesta, Fiesta!" heizt der Discjockey seine Gäste an. Erst um acht Uhr Morgens, als die Sonne schon hoch am Himmel steht, kehrt wieder Ruhe ein.

Drei Tage konnte ich nicht mehr mit Silvia kommunizieren, deshalb habe ich es nun eilig nach San Juan zu gelangen. Doch ein Erdrutsch versperrt die Weiterfahrt. Nach einer längeren Wartezeit hat der Bagger die Strasse freigeschaufelt und bald befinde ich mich auf einer neuen Teerstrasse, über die ich San Juan erreiche. Gespannt rufe ich im Internetcafe meine Mails ab. Ich stürze mich auf eine Nachricht von Silvia mit dem Betreff "Gute Neuigkeiten". Darin steht, dass sich ihre Mutter auf dem Weg der Besserung befindet. Auch konnte sie die Betreuung der Eltern regeln. Kurz: Einer Rückkehr nächste Woche steht nichts im Wege und wir können die Reise fast wie geplant fortsetzen. Diese Mail hebt meine Stimmung gewaltig!

Erdrutsch

Bestens gelaunt verlasse ich die wenig attraktive Stadt San Juan in östlicher Richtung. Mein Ziel ist von Villa Belgrano bei Cordoba, wo ich auf einem Campingplatz auf Silvias Ankunft warten werde. Ich fahre durch eine Halbwüste, die außer ein paar Büschen und  Sanddünen wenig Abwechslung bietet. In dieser Einsamkeit ist es nicht schwierig einen Übernachtungsplatz zu finden. Bei absoluter Ruhe und warmen Temperaturen sitze ich im Freien und freue mich schon bald wieder zusammen mit Silvia zu sein. Nachts schrecke ich durch ein schleifendes Geräusch hoch. Schleicht da jemand ums Wohnmobil? Ein Überfall? Der Adrenalinspiegel steigt! Dann glaube ich den Tritt von Hufen zu vernehmen. Mit der Taschenlampe leuchte ich aus dem Fenster in die schwarze Nacht. Zwei Augen leuchten mich an. Ich finde keine andere Erklärung, als dass ein Rind oder Pferd einen Pfosten hinter sich herschleppt. Die Spuren am nächsten Morgen bestätigen diese Theorie.

Immer, wenn man in Argentinien eine Provinz betritt, so muss man durch eine Polizeikontrolle. Meist wird man einfach durch gewunken.  An der Grenze zur Provinz Cordoba hält mich die Polizei an:

 Polizist: "Buenos Dias, bitte den Führerschein"
 Christoph: "Buenos Dias, einen Moment bitte, den hab ich hinten im Fahrzeug"
 Polizist: "Nein, Nein, nur keine Umstände, ist nicht so wichtig. Sind sie alleine unterwegs?"
 Christoph: "Ja"
 Polizist: "Die Polizei hat ein Problem: Wir haben zu wenig Diesel. Hätten sie nicht ein wenig Geld für mich, damit wir ein paar Liter kaufen können?"
 Christoph: "Nein, habe ich nicht!"
 Polizist:

"Na auch gut, kein Problem. Gute Fahrt!"

Heimreise: Die Dritte

Eigentlich will ich ja heute noch am Campingplatz in Belgrano ankommen. 100 km vor der Stadt Cordoba befinde ich mich in einem Megastau. Es geht nur noch Stopp and Go voran. Die grünen Hügel mit den Seen und Thermen sind bei den Städtern aus Cordoba äußerst beliebt für Wochenendausflüge. Am heutigen Sonntagnachmittag ist hier noch mehr los als um die Seen bei München. Irgendwann verliere ich den Nerven und parke einfach etwas abseits der Strasse an einem kleinen Park. Erst am nächsten Morgen setze ich die Fahrt fort, nun ist der Weg frei.

Deutsche Atmosphäre in Belgrano

Das Städtchen Villa Belgrano wurde von Deutschen gegründet. Unter anderem von der Besatzung der "Graf Spee", dem deutschen Schlachtschiff, das sich bei Buenos Aires selbst versenkte. Heute ist die Stadt ein sehr beliebter Ausflugs- und Urlaubsort für die Argentinier. Im Restaurant "Frankfurt" kann man "Sauerbraten mit Spätzle" essen, die Kirchen haben Zwiebeltürme, in "typischer" Atmosphäre gibt es deutsches Bier, am Stadtplatz steht ein Maibaum. Einmal im Jahr feiert man ein äußerst beliebtes Oktoberfest. Alle deutschen Klischees werden hier wahr. Bei den Fernreisenden ist dieser Ort wegen des Campingplatzes "La Florida" bekannt, der von den Hamburgern Beate und Ralf betrieben wird. Hier trifft man sich mit anderen Reisenden und man hat die Möglichkeit sein Reisemobil für längere Zeit sicher abzustellen. Viele nutzen diese Möglichkeit um ihre Südamerikareise für einige Zeit zu unterbrechen. Hier will ich auf Silvia warten.

Gleich bei meiner Ankunft treffe ich einige Bekannte. Reisende, die wir irgendwo im Süden getroffen hatten. Auf dem Platz fühle mich auf Anhieb wohl und nutze die Zeit, um unser Wohnmobil wieder einmal gründlich zu reinigen. Langeweile kommt nicht auf, denn immer wieder kommen deutschsprachige Reisende an. Deshalb sind die Abende gesellig und tagsüber ist  Ratschen angesagt. Auch Ruth und Marcel treffen nach einigen Tagen ein. Gerade rechtzeitig zur sonntäglichen  "Parilla" (Barbecue) von Ralf. Der legt Unmengen von Fleisch und Gemüse auf den Grill. Der Hitze dieses Sommertages ist nur mit viel Bier beizukommen. So ist bald für gute Stimmung gesorgt und jeder findet: Ralfs Grillfeiern sind zurecht eine Legende.

Legendär: Ralfs Parilla

Beinahe täglich telefoniere ich mit Silvia, deren Ankunft immer näher rückt. Beim letzten Telefonat klingt sie ein wenig sorgenvoll, denn ihre Mutter hat sich in der Reha - Klinik eine Bronchitis eingefangen. Aber übermorgen wird sie nach Cordoba kommen, wo ich sie am Flughafen abhole. Ich freue mich!

Am selben Nachmittag reicht mir Beate vom Campingplatz den Telefonhörer: "Deine Frau ist am Apparat"Meine Befürchtung, dass dies nichts Gutes bedeutet bestätigen sich. "Meine Mutter ist vor einer Stunde gestorben". Diese Nachricht ist ein Schock. An diesem Abend nehme ich nicht an der geselligen Runde teil. Traurig bleibe ich im Wohnmobil. Am nächsten Tag schreibe ich auf unsere Webseite unter Aktuelles: "Wegen eines Todesfalls in der Familie brechen wir diese Reise ab". Anschießend hole ich mir einige Angebote für die Rückverschiffung von Buenos Aires aus ein. Doch mein Schwiegervater besteht darauf, dass wir die Reise fortsetzen, deshalb ändere ich den Eintrag: "Wegen eines Todesfalls in der Familie ist die Fortsetzung der Reise ungewiss".

Wir trauern: Im Alter von 80 Jahren stirbt Silvias Mutter.

Es geht hin und her, doch nach drei Tagen treffen Silvias und ich folgende Entscheidung: Ich stelle das Fahrzeug hier auf dem Campingplatz ab und reise zurück nach Deutschland. Erst wenn wir sehen, wie sich die Dinge entwickeln, werden wir zurückkehren. Wir lassen es völlig offen, ob wir dann die Tour endgültig abbrechen oder noch eine Weile fortsetzen.

Mit einem komfortablen Nachtbus reise ich nach Buenos Aires. Am nächsten Morgen bringt mich ein Taxi zum Flughafen. Ich verbringe eine weitere Nacht im Flieger nach Zürich. Dort steige ich um und lande nun bereits zum dritten Male, seit unserer Abreise vor knapp zwei Jahren, in München. Silvia wartet am Gate auf mich. Wie schön sie wiederzusehen, auch wenn wir uns die Umstände angenehmer vorgestellt hätten!

Fortsetzung folgt, auch wenn es nur der Bericht über unsere endgültige Rückverschiffung nach Deutschland sein sollte...

... und es geht doch weiter.

Silvias Vater besteht darauf: "Ihr müsst die Reise fortsetzen! Mir ist es am liebsten, wenn ihr möglichst schnell aufbrecht, dann seid ihr umso früher wieder zurück". Nach einigen Tagen hat er uns davon überzeugt, dass er auch alleine zurecht kommt und wir guten Gewissens weiterreisen können. Allerdings ändern wir unsere Reiseplanung deutlich (siehe nebenan).

Ein paar Tage bleiben uns noch Zeit bis zu unserer Rückkehr nach Argentinien. Wohnen können wir in unserem Haus in München, das mittlerweile frei geworden ist. Dort richten wir uns bewusst nur notdürftig ein, denn wir wollen es vermeiden, uns allzu heimisch zu fühlen. Dennoch dringt es immer tiefer in unser Bewusstsein ein: Diese Reise neigt sich so langsam dem Ende entgegen, auch wenn wir nochmals eine "Gnadenfrist" erhalten haben. So ist dann auch der Abschied von Verwandten und Freunden diesmal weniger dramatisch als die letzten Male, denn in "nur" drei Monaten werden wir ja schon wieder heimkehren.


Die geänderte Planung Anfang März 2007:

Die familiäre Situation  in Deutschland bedeutet für uns eine deutliche Verkürzung der Reise. Drei Monate bleiben uns Zeit, bis wir Anfang Juli endgültig nach Deutschland zurückfliegen. In dieser Zeit wollen wir über den Norden von Argentinien und Chile nach Bolivien reisen. Von dort werden wir in das Tiefland von Brasilien fahren und anschließend nach Buenos Aires zurückkehren.

 

Dauerregen in Cordoba

Die (hoffentlich) letzte Reiseetappe beginnt am Flughafen in München mit dem Flug nach Madrid. Von hier startet nach Mitternacht eine Maschine der IBERIA nach Santiago de Chile. Nach 14 Stunden Flug landen wir auf südamerikanischen Boden. Der Kreis schließt sich, an diesem Flughafen hatte ich Silvia vor 6 Wochen verabschiedet. Doch diesmal fliegen wir – nach ein paar Stunden Wartezeit – weiter nach Cordoba in Argentinien. Der Taxifahrer erzählt uns auf dem Weg ins Hotel, dass der Dauerregen nun schon über eine Woche anhält und fragt uns wie denn das Wetter in Deutschland sei. "Als wir losflogen war es mild und frühlingshaft", antworten wir ihm.  Das trübe Regenwetter verleidet uns nicht nur die Stadtbesichtigung, sondern macht auch dem Hotel schwer zu schaffen. Da der Strom ausgefallen ist, erhalten wir an der Rezeption eine Taschenlampe und am nächsten Morgen plätschert im Frühstücksraum das Wasser aus der Decke in einen großen Plastikeimer.

Mit einem Minibus fahren wir zum Campingplatz nach Belgrano, wo wir Benito unversehrt vorfinden. Der Regen hört auf und so langsam trocknet der Schlamm ab. Wiederum treffen wir viele Bekannte und schließen neue Freundschaften. Reiseerlebnisse werden erzählt, Erfahrungen ausgetauscht - wir sind wieder zurück. Einige Tage bleiben wir an diesem geselligen Ort und haben die Gelegenheit mit den beiden letzten Überlebenden des Schlachtschiffs "Graf Spee" am Stammtisch zu sitzen. Die rüstigen Männer sind  87 und 88 Jahre alt und erzählen interessante Episoden von ihrem 60-jährigen Aufenthalt in Argentinien. Noch immer danken sie ihrem Kapitän, der durch seine Kapitulation der Mannschaft das Leben rettete.

Deutsche Geschichte: Ein Überlebender der Graf Spee

Benito brummt zufrieden und freut sich nach so langer Zeit endlich wieder "Strecke" machen zu können. Er bringt uns aus dem Grün der Sierren bei Cordoba in eine trockene, wüstenhafte Landschaft. Dann erblicken wir rötliche Hügel, die ersten Vorboten des andinen Nordwestens.