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Mankei Tour - Andiner Nordwesten

03. April 2007 - 28. April 2007

Vom Nutzen der Sandbleche

Nördlich von San Juan, am Rande der Anden, liegt der Provinzpark "Valle de la Luna" - das Tal des Mondes. Der Name lässt vermuten, dass wir dort eine trockene, karge Steinlandschaft vorfinden werden. Bevor diese Vermutung zur Sicherheit wird, müssen wir uns im Büro in ein Buch eintragen und am Tor warten, bis genügend Fahrzeuge für einen Konvoi zusammengekommen sind. Alleine darf der Park nicht besucht werden, da fossile Zeugen aus der Dinosaurierzeit geschützt werden müssen. Unsere Erwartungen werden nicht enttäuscht, wir erleben eine bizarre Mondlandschaft und die Erklärungen des Rangers bereichern - obwohl auf Spanisch - diesen Trip.

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Übernachten können wir gleich hinter dem Visitorcenter. Es beginnt zu blitzen und zu donnern, Regen tropft auf unser Dach. Als ich in der Morgendämmerung aus dem Fenster blicke, sehe ich eine Wüstenlandschaft voller Wasserpfützen. Ein trüber Tag kündigt sich an. Dieses Wetter lässt unsere Hoffnungen schwinden, dass der weit über 4500 m hohe Pass "Agua Negra" noch geöffnet ist. Wenn es dort oben um diese Jahreszeit zu schneien beginnt, wird die Strasse bis zum Frühjahr geschlossen. Leider wissen die Touristenbüros und Polizeistationen darüber nicht Bescheid. "Warum wollen sie da hin, der Pass liegt doch in einer anderen Provinz?" Wir entschließen uns, es zu riskieren und fahren über rötliche Schlammstrassen bis bis zur Ortschaft Jachal. Erst dort erteilt man uns auf der Polizeistation die Auskunft: "Ja, der Pass ist geöffnet".

Je weiter westlich wir gelangen, desto schöner wird das Wetter. Die Wolken haben sich an den ersten Gebirgszügen abgeregnet und nun ist blauer Himmel über uns. An einem Stausee vor Rodeo fahren wir auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz hinunter zum Strand. Ich bemerke wie der Sand weicher wird und versuche in einem sanften Bogen zu wenden. Von einer Sekunde auf die andere brechen wir auf der linken Fahrzeugseite ein und stehen sofort still. "Verdammter Mist und das soweit von der Strasse entfernt!" Ein Blick von außen bestätigt die Befürchtung, dass uns eine größere Aktion bevorsteht. Bis zu den Achsen sind wir im Weichsand eingesunken. Wie sollen wir da je wieder rauskommen? Auch ein Bergefahrzeug wird sich bestimmt nicht hierher in diesen Sand wagen!

Bis zu den Achsen im Sand eingesunken ... ... beginnen wir zu schaufeln ... ... und kommen tatsächlich wieder frei

Nur um irgend etwas zu tun, beginnen wir mit dem Schaufeln. Unter dem Sand befindet sich schwarzer, schmieriger Schlick, was die Situation nicht einfacher macht. Zwei Argentinier haben uns gesehen und beginnen unaufgefordert mitzuschaufeln. Nach einer Stunde harter Arbeit legen wir die Sandbleche unter und starten einen ersten Versuch frei zu kommen. Als kleine Unterstützung hängen wir den Jeep der Argentinier an unseren Bergegurt. Alle Sperren eingelegt, ganz langsam, lasse ich die Kupplung kommen. Die Freude ist riesig, Benito bewegt sich einen halben Meter, die Hinterräder sind fast schon wieder frei. Erneut graben wir, legen die Bleche nochmals unter, dann sind wir raus. Überschwänglich umarmen wir die Argentinier, die jedes Geschenk ablehnen. Wir packen die verbogenen Sandbleche in den Innenraum und sind bald darauf auf fester Strasse. Auf dem nahegelegenen Campingplatz kommen wir nur langsam zur Ruhe.

Ganz oben, wo die Götter wohnen

Auf fast 4800 m sollte man nicht ganz unvorbereitet hochfahren. Es ist wichtig, sich Zeit für die Höhenanpassung zu nehmen. Deshalb kommt uns die Wiese mit dem Bach auf 3100 m gerade recht. Hier können wir in der Sonne sitzen, zu hohen Bergen aufblicken und die schon etwas dünne Bergluft genießen. Am folgenden Morgen wollen wir ganz hinauf. Technisch kein Problem, denn auf den Agua Negra führt eine gute Schotterstrasse.  An der Grenze zu Chile zeigt unser GPS 4762 m. Dies ist der Höhenrekord für Benito, der dies alles ohne zu qualmen oder Leistung zu verlieren geschafft hat. Und auch für uns zählt das grandiose Bergpanorama mit den bunten Gesteinsformationen zu den Höhepunkten unserer Amerikareise. Beschwerden haben wir keine, nur leichte Kurzatmigkeit bei körperlicher Anstrengung und etwas Kopfschmerzen.

Büßerschneefelder am Agua Negra

Trotzdem fahren wir noch am gleichen Tag abwärts zur Ortschaft Vicunia, wo wir in der Nähe einer Sternwarte übernachten. Für eine nächtliche Besichtigung sind wir nach der Fahrt zu müde. Auf chilenischer Seite ist es sogar noch trockner als im Westen Argentiniens. Dank ausgeklügelter Bewässerungssysteme ist dennoch Landwirtschaft möglich. Wie Oasen wirken die Weinberge in der staubigen Landschaft. Überall riecht es nach Trauben, die auf planen Flächen zum Trocknen ausgelegt sind. Aus ihnen wird später der Pisco, eine Art Grappa, hergestellt. Etwas weiter unten an der Küste steigt Nebel vom kalten Pazifik auf. Im Städtchen La Serena bekommen wir die Sonne den ganzen Tag nicht zu Gesicht.

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Über die Panamericana fahren wir in Chile durch die Wüste hoch bis zum unbekannten Nationalpark Llanos de Challe. Der liebevoll eingerichteten Campingplatz am Strand, inmitten von weißen Dünen, Kakteen und grossen Felsen animiert uns zum Bleiben. Sogar die Sonne scheint jetzt und lässt alles noch plastischer wirken. Bei einem Strandspaziergang bemerken wir, dass in den einfachen Hütten keine Fischer wohnen. Hier leben Leute, die Seetang sammeln und trocknen. Spätern erfahren wir vom Ranger, der am Abend Gast an unserem Lagerfeuer ist, dass aus diesem Tang medizinische und kosmetische Produkte hergestellt werden.

Seetang wir für kosmetische Zwecke gesammelt Prost: Silvias Geburtstag am Strand von Llanos de Challe

 

Nach dieser Verschnaufpause lockt schon der nächste Andenpass: Über den 4780 m hohen Paso San Francisco wollen wir zurück nach Argentinien. Nach der Akklimatisation gelangen wir auf mit Salz befestigten Strassen bequem nach oben. Diesmal rauben uns gewaltige Hochebenen mit urtümlichen Vulkanen fast den Atem. Immer wieder treffen wir auf Herden der vom Aussterben bedrohten Vicunias (eine Lamaart). Ein heißes Bad auf 4400m Höhe? In den ca. 40° warmen, naturbelassenen Termen auf dem San Francisco können wir dies mit der Aussicht auf die "Laguna Verde" verbinden. Das Verlassen des Beckens ist bei dem eisigen Wind allerdings weit weniger angenehm.

Weiter unten auf 2000 m - fast schon in der Ebene - geben wir uns an den Termen von Fiambala nochmals dem Badevergnügen hin. Hier ist es "kultivierter", doch dafür sind wir nicht alleine.  Ein kleiner Bach wurde in mehr als zehn Becken aufgestaut. Je tiefer die Becken liegen desto kühler wird das Wasser. Wir beginnen bei 40° und „arbeiten“ uns langsam abwärts. In manchen Becken kann man gerade sitzen, in anderen sogar schwimmen.

Heißes Bad auf 4400 m

Argentiniens Ureinwohner

Je weiter nördlich wir in Argentinien (und Chile) kommen, desto mehr Menschen mit indigenen Gesichtszügen treffen wir. Der Süden war zu Zeiten der spanischen Eroberer nicht besiedelt bzw. die indianischen Ureinwohner wurden komplett ausgerottet. Hier im Norden, nahe der kleinen Ortschaft Londres können wir die Überreste einer Inka-Siedlung besichtigen. Wir wandern durch die eher unbedeutende Anlage, die wir dafür ganz für uns alleine haben. Deutlich mehr Touristen treffen wir bei den Ruinen von Quilmes. Der Name Quilmes war uns bisher nur als Biersorte bekannt. Jetzt erfahren wir, dass die Quilmes ein Indianervolk waren, das hier bis ins 16. Jahrhundert mit immerhin 5000 Menschen siedelte.

Inkasiedlung Londres Siedlung der Quilmes Indianer

Auf unserem Weg in den Norden treffen wir auf eine alte Bekannte: Die Ruta 40. Diese Strasse lernten wir schon in Patagonien als ruppige Piste durch dünnbesiedelte Gebiete kennen. Hier ist sie zunächst gezähmt, begradigt und asphaltiert. Hinter Quilmes aber findet sie zu alten "Qualitäten" zurück: Wellblech, enge Kurven,   Flussdurchquerungen und sogar Weichsand. Ein leckender Tank und undichte Reservekanister, eine gebrochene Auspuffhalterung  und viel Staub auf dem Armaturenbrett sind der Tribut, den wir an sie zu bezahlen haben.

In der Ortschaft Cachi genehmigen wir uns wieder mal einen Tag zur „freien Verfügung“. Gemächlich marschieren wir durch das Städtchen, das uns auf Anhieb gefällt. Alles ist nett hergerichtet, ohne übertrieben touristisch zu wirken. In einer rustikal wirkenden Wirtschaft essen wir deftigen Eintopf und gegrilltes Zicklein. Sehr lecker! Danach verbringen wir den Nachmittag im schattigen Liegestuhl.

Bedeutend weniger beschaulich ist Salta , die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Dafür können wir hier gut die alltäglichen Dinge wie Internet, Wartungsarbeiten am Fahrzeug und Großeinkäufe erledigen. Auf dem Camping Municipal treffen wir auf europäische "Overlander", vor allem Schweizer.

Kleine Opfergaben für "Pacha Mama", der Mutter der Erde

Sehr angenehm überrascht sind wir von der historischen Innenstadt mit den schattigen Arkaden und zahlreichen Kirchen. Die subtropischen Pflanzen machen deutlich, dass wir die Wüste erst mal im Hochland zurück gelassen haben.

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Startprobleme bei den Geysiren

Ein letztes Mal wollen wir von Argentinien nach Chile wechseln und auch diesmal führt der Weg über einen Andenpass. Auf der asphaltierter Strasse gelangen wir rasch höher, die Vegetation wird zunehmend karger, an den Berghängen trotzen große Kakteen der Trockenheit. Nach dem ersten Anstieg leuchtet unter uns eine helle Fläche: der Salzsee Salinas Grandes. Um diese Jahreszeit ist die Oberfläche ausgetrocknet und mit wabenartigen, blendend weißen Mustern bedeckt. Dunkle Flecke entpuppen sich beim Näherkommen als Häuser, erbaut aus Salzsteinen. Hier wird in größerem Umfang Salz gefördert. Die vermummten Arbeiter sind an Touristen gewöhnt und wir können beobachten, wie in mühseliger Handarbeit - mit Schaufel und Pickel - das "weiße Gold" gewonnen wird. Froh darüber, nicht selbst in der gleißenden Sonne arbeiten zu müssen, setzen wir unsere Fahrt Richtung Chile fort.

Salzgewinnung in den Salinas Grandes

In den weiten Hochebenen sehen wir vereinzelt Lehmhäuser und kleine Dörfer. Die bunten Trachten der Indios sowie  Lamas mit roten Bändern am Ohr zeigen, dass auch die bolivianische Grenze nicht mehr weit entfernt ist. Schließlich erreichen wir mit 4840 m den höchsten Punkt des Paso de Jama. Hier oben beginnt es aus dicken Wolken zu schneien, Sturmböen wirbeln die Flocken über den Asphaltbelag.

Deshalb sind wir froh, dass es nun steil bergab geht und die Wolken der Sonne weichen. Ein Lob auf Benitos Motorbremse! Sie erlaubt es uns flott nach unten zu fahren, ohne dass die Bremsen überhitzen. Dies passiert schon mal bei den schwer beladenen Lkws, wie Wracks am Strassenrand beweisen. Deshalb wurden überall Notspuren mit einem Kiesbett installiert.

In der staubigen Ebene unter uns entdecken wir ein paar grüne Oasen. Eine davon ist das Städtchen San Pedro de Atacama, das unser Ausgangspunkt für die nächsten Tage sein soll. Obwohl wir bereits über 100 km von der argentinischen Grenze entfernt sind, erfolgen erst hier die chilenischen Einreiseformalitäten. Beim ausgiebigen Bummel durch die Stadt bestätigt sich unser erster Eindruck: San Pedro ist ein netter Touristenort mit Lehmhäusern und engen Gassen. Die weiß getünchte Kirche bietet ein "klassisches" Fotomotiv und im Museum wird die Geschichte der indianischen Ureinwohner anschaulich dargestellt.

Bisher hatten wir unsere Übernachtungsplätze immer so gewählt, dass wir auf höchstens 3600 m standen. Doch beim Besuch der Geysire von Tatio wollen wir auf 4200 m übernachten, denn nur so können wir die Dampffontänen bei Sonnenaufgang bewundern, wo sie am eindrücklichsten sein sollen.

Kleiner Laden in San Pedro

Die Wellblechpiste nach Tatio ist übel, doch die Hochgebirgslandschaft und die ruhig blubbernden Geysire lassen uns all die Strapazen schnell vergessen. Nachmittags sind wir alleine und können in den warmen Termalbecken ungestört schwimmen. Die sternenklare Nacht ist kalt, das Thermometer zeigt Minus 15 Grad. Wir kommen mit der Kälte und Höhe gut zurecht und haben tief geschlafen. Doch was sagt Benito zu diesen Bedingungen? Der Anlasser dreht durch, aber der Motor tut keinen Mucks. Es bleibt uns deshalb nichts anderes übrig, als zu Fuß loszuziehen. Mit klammen Fingern fotografieren und filmen wir die hoch in den Himmel aufsteigenden Dampfsäulen. Jetzt sind wir nicht mehr einsam, denn Dutzende von Kleinbusse karren Touristen aus aller Welt zu diesem einmaligen Schauspiel.

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Erst um zehn Uhr, als die Sonne den Frost allmählich zurückdrängt, springt Benito an. Die Flammanlage (Vorglühanlage) des Dieselmotors ist defekt. Wir wollen sie aber nicht reparieren lassen, da die nächste Werkstatt  zu weit entfernt ist. Auch die kommenden Nächte werden bitterkalt sein, deshalb stellen wir uns darauf ein, erst am späteren Vormittag loszufahren. Außerdem werden wir die Übernachtungsplätze so auswählen, dass die Motorhaube immer in Richtung Sonnenaufgang zeigt.  

Nochmals fahren wir zurück nach San Pedro und erledigen dort die Zollformalitäten. Auf bekannter Strecke fahren wir den Paso Jama hoch bis ein Schild den Weg nach Bolivien weist.