Serienmäßig ist der MB Vario mit „kleinen“ Reifen, hinten mit Zwillingen, ausgestattet. Ein NoGo für „echte“ Overlander? Kommt darauf an, was man machen will. Und außerdem kann man ja umrüsten. Wir berichten von unseren Erfahrungen.
Die ersten 50.000 in Südamerika waren wir mit den serienmäßigen Zwillingsreifen unterwegs:
Ein paar Mal hatten wir einen Stein zwischen den Reifen. Das ist aber kein Problem, man muss halt gelegentlich kontrollieren und den Stein entfernen. Einer der größten Nachteile von Zwillingsreifen sind die Fahreigenschaften im Sand (man kann nicht genügend Luft ablassen und fährt eine breitere Spur). Für Sahara-Fahrer ist dies sicher ein Problem, aber wir waren angenehm überrascht von den Fahreigenschaften und kamen mit reduziertem Luftdruck gut durch Weichsandfelder.
✚✚ Hohe Traglast
✚ Bremsanlage ist durch Felge geschützt
✚ Gefahr für Beschädigung des Differenzials etwas geringer (*)
✚ Mehr Komfort durch niedrigeren Luftdruck pro Reifen hinten
✚ Reservereifen fahren platzsparend mit✘✘ Luftdruck kann im Sand nicht ausreichend reduziert werden
✘✘ Gefahr von Steinen zwischen den Reifen
✘ Etwas höherer Verschleiß
✘ Etwas höherer Dieselverbrauch
(*) Das große, zentral gelegene Differenzial an der Hinterachse schränkt die Bodenfreiheit des Vario am Meisten ein. Beim Fahren in steinigem Gelände ist daher eine sorgfältige Spurwahl erforderlich. Je nachdem, ob man mit den Reifen auf einer Erhebung fährt oder in ein Loch gerät, hebt bzw. senkt sich das Differenzial. Bei Zwillingsreifen hat man den Vorteil einen Stein besser zu „treffen“, bzw. nicht in Loch ein zu sinken.
Die Umrüstung des Vario auf Einzelbereifung ist einfach: Man entfernt den inneren Reifen. Da nun die Bremsscheiben nicht mehr von der Felge geschützt werden, sollte ein Bremsschutz montiert werden (von der Fa. Paul erhältlich). Die Achslast hinten sinkt von 5,6 t auf 3,6 t. Außerdem ist der nun Lastindex der Hinterreifen zu beachten. Die 1750 kg pro Reifen bei den serienmäßigen Michelin Michelin XZY 9.5 R 17.5 ist wenig. Wir haben deshalb zunächst die deutlich breiteren Conti LCS 265/70 R 17.5 aufgezogen, deren maximale Belastung 2120 kg beträgt. Das Ganze muss nun noch in die Papiere eingetragen werden, was bei uns die Fa. Paul übernommen hat.
Damit die Reifen in der gleichen Spur laufen, haben wir uns für neue Felgen hinten entschieden. Eine Fehlentscheidung, denn in der Praxis spielt die geringfügig veränderte Spurbreite keine Rolle. Mittlerweile haben wir die Spezialfelgen wieder verkauft.
Leider hat die Testfahrt nach Marokko ergeben, dass die Conti LCS Reifen nicht verschleißfest genug für unsere Afrikareise sind. Deshalb haben wir wieder die Michelin XZY auf den Ursprungsfelgen aufgezogen, es aber bei der Einzelbereifung belassen. Dieser robuste Reifen mit dem Baustellenprofil hat sich schon in Südamerika bewährt. Die Belastung der Hinterreifen ist nun grenzwertig hoch, reicht für uns aber gerade so. Rein optisch wirken die schmalen Reifen schon ein wenig wie Asphaltsägen. Die Hinterreifen müssen mit hohen Luftdruck gefahren werden, was die Federwirkung einschränkt. Schlecht auf holprigen Pisten. Im Sand haben wir den Luftdruck auf unter 2 Bar abgelassen und sind damit gut auch durch tiefsandige Passagen gekommen.
Nach etwa 50.000 km waren die Michelin XZY verschlissen und wir hatten in der Folge zahlreiche Reifenpannen. Das lag aber auch am Alter der Reifen (> 10 Jahre).
Nach dem Verschleiß der Michelinreifen haben wir unsere neuwertigen Conti LCS nach Afrika verschifft. Wegen des groben Stollenprofils ist das Abrollgeräusch deutlich lauter, auch der Spritverbrauch ist ein wenig angestiegen. Doch da die Reifen deutlich breiter sind, federn sie auch merklich besser, Pistenfahrten sind angenehmer. Durch Schlamm sind wir mit diesen Reifen bisher noch nicht gefahren, doch in Marokko haben sie ja schon bewiesen, dass sie gut für Sand geeignet sind. Der Verschleiß scheint hoch zu sein.
Nach dem Entfernen der inneren Felge ist ein Teil der Bremsanlage, insbesondere die Bremsscheibe, ungeschützt. Die Gefahr die Scheibe durch einen Stein zu beschädigen ist extrem groß, weshalb sich ein Schutz (eine Art Metallring) empfiehlt. Der hat bei uns auch schon gute Dienste geleistet, als wir auf einer felsigen Piste gegen einen Stein gefahren sind. Die Bremsscheibe wäre beschädigt gewesen, so war nur der Schutz verbogen und musste ausgebeult und mehrfach geschweißt werden. Allerdings haben wir nicht gleich bemerkt, dass der Schutz locker war, so dass dieser den ABS-Sensor abgerissen hat.
Fazit: Der Bremsschutz ist bei Einzelbereifung unbedingt erforderlich. Er schränkt aber die Bodenfreiheit weiter ein und kann selbst Auslöser für Beschädigungen sein.
➪ Unsere Empfehlung bzgl. Einzelbereifung:
Wir würden nicht mehr auf Einzelreifen mit gleichem Umfang umrüsten. Zwar sind die Fahreigenschaften in Sand und Matsch schon ein wenig(!) besser, doch für uns hat sich der Aufwand wegen der oben beschriebenen Nachteile eher nicht gelohnt. Bei Reifen mit einem größeren Umfang sieht die Sache natürlich gleich ganz anders aus.
Generell sind 17.5“ Reifen sehr schwer im außereuropäischen Ausland erhältlich. Die Größen 9.5 und 265/70 haben wir in Südamerika und Afrika gar nicht gefunden.
Doch auch in Europa gibt es mittlerweile Probleme:
Der Conti LCS 265/70 R 17.5 wird immer schon unregelmäßig produziert. 2017 war dieser Reifen komplett ausverkauft. Ob dieser Reifen überhaupt noch einmal produziert wird, ist unbekannt. Als geländetaugliche Alternative gibt es nur runderneuerte Reifen mit anderem Profil.
Auch vom Michelin XZY 9.5 R 17.5 sind es anscheinend nur noch Restbestände erhältlich, es gibt wohl keine Alternative von anderen Marken.
Mittelfristig muss also eine Alternative her.
Um die Bodenfreiheit zu erhöhen und das Problem mit der Verfügbarkeit zu lösen, wollten wir nach unserer Rückkehr aus Afrika auf größere Reifen umrüsten.
Einige unserer Bekannten mit einem Allrad-Vario testen dies bereits erfolgreich.
Auf dem Därrtreffen 2017 haben wir Varios mit 255/100 R16 XZL (nur 1.700kg Traglast), 275/80 R20 (2.120kg) und 285/70 R19.5 (2.800kg) gesehen.
Einen ausführlichen Vergleich der verschiedenen Reifengrößen findet ihr auch hier:
https://7globetrotters.de/mb711d-wohnmobil-vario-t2-duedo-varianten-winterreifen-supersingle-einzelbereifung-kosten#Umbereifung_auf_195-Zoll-Felgen
Nach langem Hin- und Her haben wir uns im August 2020 für die Variante 285/70 R19.5 mit Gabo-Felgen (Spezialanfertigung in den Niederlanden Stück mit Versand ca. 500€) und M+S-Reifen von Bridgestone M729 entschieden.
Der TÜV in Freyung war wie üblich sehr nett: Unterlagen von Gabo und eine Beispiel-Eintragung hin mailen, Tachoangleichung bei der Werkstatt machen lassen und wir hatten die Eintragung.
Kabine höher legen und Lenkeinschlag begrenzen war nicht nötig, aber wir haben den Radausschnitt vorne vergrößert (andere Anbringung des Schmutzlappens und Ausschnitt in der Stoßstange).
Bilder davon findet ihr hier: Reifen, Träger, Staukästen
Nach unserer Reise 2022/23 ins Morgenland ziehen wir ein positives Fazit für diese Variante. Die Reifen haben (nach 2 Jahren Lagerung wegen Corona) die fast 30.000km gut weggesteckt. Wenn wir die vorderen Räder nach hinten drehen, geht sicher nochmal eine solche Laufleistung.
Wir fahren auf der Straße mit 5.5 Bar, auf Piste mit 4 Bar und im Sand standardmäßig mit 3 Bar, haben aber dort auch schon bis unter 2 Bar abgelassen.
Damit sind wir recht gut durchgekommen, deutlich besser als mit den kleineren Reifen, insbesondere auch wegen der größeren Bodenfreiheit.
Unsere Ausschnitte vorne waren groß genug, wir hatten nie Probleme, dass der Reifen ‚angegangen‘ wäre.
Der Spritverbrauch ist minimal höher als mit den kleineren Reifen und ein paar PS mehr würden auch nicht schaden, damit der Anschluss zwischen den Gängen besser passt.
Das Auswuchten war auch nicht so einfach, weil der Reifen zu groß für PKW-Wuchtmaschinen ist, aber die Felge mit ihren 6 Löchern nicht in eine LKW Wuchtmaschine passt. Firma Paul in Passau konnte da helfen. Ein Wuchten mit Granulat hatte nichts gebracht und die Ventile beim Luftablassen verstopft.
Benito mit großen Reifen am Strand in Italien